Bericht von Jan – Free Mover – St Andrews, Schottland

Mit Beginn meines Masterstudiums IT-Management & -Consulting (ITMC) stand für mich bereits fest, dass ich unbedingt ein Semester im Ausland verbringen wollte, wenn möglich, ohne dadurch meine Regelstudienzeit zu erhöhen. Aufgrund der Lehrpläne meines Studiengangs und der Möglichkeit das umfangreiche Projekt vorzuziehen, bot sich damit das dritte Semester für einen Auslandsaufenthalt an.

Ein wichtiges Kriterium bei der Wahl meines Ziellandes war für mich, in ein Land zu gehen, dessen Muttersprachler Englisch sprechen, um mein eigenes Englisch noch weiter zu verbessern. Da ich außerdem die Qualität der Lehre an einer international renommierten Hochschule erfahren wollte, blieben damit eine Handvoll Universitäten in den USA und Großbritannien zur Auswahl. Aufgrund der hohen Studiengebühren in den USA entschied ich mich für Großbritannien. Da ich nicht länger als ein Semester ins Ausland gehen wollte und viele Universitäten in Großbritannien aufgrund ihres Trimester-Systems, bei dem die Prüfungen nur einmal im Jahr stattfinden, einsemestrige Aufenthaltenicht unterstützen, entschied ich mich für die Universität mit dem besten Ranking, die zugleich auch Semester anbietet: St Andrews in Schottland.

Bewerbung

Der Fachbereich Informatik betreibt zwar eine Kooperation mit der University of St Andrews, diese beinhaltet aber keineErleichterung des Bewerbungsprozesses oder die automatische Anerkennung von Leistungen. Bewerber aus Hamburgwerden also wie ganz normale Free Mover behandelt, die ihren Aufenthalt selbst organisieren müssen.

Etwa ein Dreivierteljahr vor Beginn meines Auslandssemesters begann ich mit dem Bewerbungsprozess, der die folgenden Unterlagen voraussetzt:

  • Bachelor-Urkunde
  • Transcript of Records (ToR) des Bachelorstudiengangs
  • Aktueller ToR des laufenden Masterstudiengangs
  • Beschreibungen der Inhalte der absolvierten Module
  • Persönliches Motivationsschreiben

Alle Dokumente müssen natürlich auf Englisch eingereicht werden. Die Bachelorurkunde und das ToR waren problemlosvom Studienbüro zu beziehen. Die Beschreibungen der Inhalte der Module an der Universität Hamburg sind aber oftnicht auf Englisch erhältlich. Es reicht aber in St Andrews anzufragen, welche Modulinhalte als Voraussetzung für dieZulassung wirklich nötig sind und dann das Studienbüro um eine kurze englischsprachige Beschreibung nur dieser Module zu bitten.

Zeitgleich sah ich mir bereits die Module an, die in St Andrews üblicherweise im Wintersemester angeboten werden. Da ichmir einige LP anrechnen lassen, aber nicht ganz das normale Studienpensum absolvieren wollte, um mir auch noch Schottland ansehen zu können, entschied ich mich für drei Module zu je 7,5 LP. Das entspricht dann 75% der Belastungvon VollzeitstudentInnen. Diese Module können aber in Hamburg nur angerechnet werden, wenn es ähnliche Moduleauch hier im Vorlesungsverzeichnis des jeweiligen Studiengangs gibt und da diese nur zu jeweils 6 LP bewertet werden,werden auch die im Ausland erbrachten Leistungen mit diesem Wert angerechnet. Ich schrieb also eine schriftlicheBegründung, dass sich der Inhalt der gewählten Module zum großen Teil mit den hier angebotenen Kursen deckt, führte ein persönliches Gespräch mit der Studiengangsleitung und erhielt dann die schriftliche Bestätigung, dass mir diedrei Module bei Bestehen in Hamburg zu 18 LP angerechnet werden würden. Diese Bestätigung verlangt auch dieUniversity of St Andrews, kann dort aber nach dem Bewerbungs- verfahren nachgereicht werden.

Vorbereitung

Etwa vier Monate vor Beginn des Auslandssemesters erhielt ich eine Zusage aus St Andrews und konnte mich dann auf dieSuche nach einem Wohnheimzimmer machen. Als kleine Universitätsstadt und zudem historische Heimat des Golfsportsist die Wohnungssituation in St Andrews generell sehr angespannt. Zwar gibt es eine größere Anzahl von Plätzen inWohnheimen, diese sind aber grundsätzlich sehr schnell ausgebucht. Auf meine Bewerbung für einen Wohnheimplatz erhielt ich entsprechend auch zuerst eine Absage. Insbesondere 2014 gestaltete sich die Situation in St Andrews nochschwieriger, da die Universität zwecks Renovierung ein Wohnheim ohne Ersatz hatte schließen lassen. Ich begab mich daher auf die Suche nach einem Zimmer auf dem freien Wohnungsmarkt, musste aber nach etlichen Telefonatenfeststellen, dass private Vermieter nahezu kein Interesse haben, ein Zimmer an Studierende zu vermieten, die nur für einSemester in St Andrews bleiben, da sie problemlos auch an Studierende mit längeren Aufenthalten vermieten können, ohne während der Semesterferien einen Leerstand ihrer Immobilien befürchten zu müssen. Daraufhin habe ich micherneut an das Büro für internationale Studierende gewandt, meine Situation als Austauschstudent erklärt und erhielt dannnach einem eindringlichen, aber immer freundlichen Telefonat kurzfristig doch noch ein Angebot für ein günstigesWohnheimzimmer.

Vor der Abreise ist es zudem wichtig, sich vom Hausarzt einen Nachweis über die gesundheitliche Eignung zum Studiumund die persönliche Impfgeschichte ausstellen zu lassen. Da StudentInnen in St Andrews kostenfrei über das britischeGesundheitssystem versichert sind, werden diese Dokumente zur Aufnahme benötigt. Darüber informiert die Universität aber auch noch einmal per E-Mail.

Persönliche Erfahrungen

In St Andrews wird im persönlichen Umgang grundsätzlich wenig Unterschied zwischen Erstsemestern (ob Bacheloroder Master) und AustauschstudentenInnen gemacht. Für alle StudentenInnen, die sich das erste Mal in St Andrewsbefinden, wird ein sehr umfangreiches akademisches Einführungs-, Sport- und Freizeitprogramm in den ersten Wochenorganisiert. Dies gab mir die Möglichkeit mich schnell in den akademischen Alltag an einer britischen Hochschule einzuleben und in verschiedenste Sportarten und Freizeitgestaltungen (Fechten, Bogenschießen, schottische Politik undvieles mehr – die Liste ist sehr lang) hinein zu schnuppern. Die gemeinsame Freizeitgestaltung und das engeZusammenleben in einem Wohnheim strukturieren das Leben in St Andrews sehr stark, so dass neben dem Besuch von Vorlesungen und Übungen jegliche weitere Zeit immer für Veranstaltungen verplant war. Das gestaltet den Aufbau vonKontakten, die auch über das Auslandssemester hinaus halten, sehr viel einfacher. Zudem werden in St Andrews neueStudentenInnen in akademische Familien aufgenommen, also von Studierenden im dritten Jahr „adoptiert“. Dieseakademischen Eltern und die damit verbundenen akademischen Geschwister bieten eine gute Möglichkeit, auchstudiengangsübergreifend KommilitonInnen kennenzulernen und Erfahrungen mit StudentenInnen aus aller Weltauszutauschen. Überrascht hat mich dabei die Intensität mit der die akademischen Familien zusammen halten, was durcheine Vielzahl von Ritualen und gemeinsamen Ausflügen gefördert wird. Mit einem Teil meiner akademischen Familiewerde ich auch in Zukunft immer wieder zusammen treffen.

Die schottische Küche ist im Allgemeinen sehr fleischlastig. Die Auswahl an Gemüse ist deutlich kleiner als man es indeutschen Supermärkten gewohnt ist und natürlich findet sich auch kaum oder kein dunkles Brot, was aber nicht anderszu erwarten war. Insbesondere was die Vielfalt und Qualität an hochwertigem Bier und Whisky angeht, ist Schottland für den Interessierten aber ein ideales Umfeld.

Akademische Erfahrungen

Das Niveau der Lehrinhalte schwankt von Modul zu Modul sehr stark, liegt in einigen Modulen leicht unter, in anderen leicht über dem Niveau in Hamburg. Grundsätzlich erwarten die Dozenten eine höhere Selbständigkeit der Studierenden als sie in Deutschland üblich ist, da für viele prüfungsrelevante Inhalte nur am Anfang des Semesters aufdie Literatur verwiesen wird und es dann in der Hand der Studierenden liegt, sich diese auch zu erschließen. Dieser für deutsche Studierende ungewohnte Umstand wird dadurch abgemildert, dass Prüfungen üblicherweise aus drei oder vier Themenblöcken bestehen, von denen jeweils ein Block nach in- dividueller Entscheidung der Studierendenausgeschlossen wird. So können etwaige Lücken in der Vorbereitung umgangen werden, so lange man mit einem Großteil des fachlichen Inhalts vertraut ist.

Generell ist das Niveau in St Andrews trotz des herausragenden Rufes aber nicht durchgehend höher als an deutschen Universitäten. Das spricht aber mehr für das Niveau deutscher Universitäten als gegen St Andrews. Die hervorragende Platzierung der Universität in gängigen Ranglisten speist sich neben den guten akademischen Inhalten vor allem aus der sehr guten Forschung und dem sehr engagierten Auftreten der Universität in der Gestaltung der außerakademischenAktivitäten. Gerade Letzteres fördert den oft geforderten Blick über den Tellerrand und sorgt für eine sehr guteVernetzung, was wiederum für eigene Forschungsvorhaben und internationale Projekte sehr von Vorteil ist. In letzter Zeithat die Universität auch begonnen, vermehrt Unternehmen anzusprechen, um ergänzende Seminare und Vorlesungen ausder Praxis heraus zu organisieren. Sehr positiv ist mir aufgefallen, dass die Anzahl der Modulteilnehmer in St Andrewsdurchgängig geringer war als in Hamburg. Gruppen von 15 bis 20 Studierende in einer Vorlesung waren eher die Regel alsdie Ausnahme, was zu einem viel engeren Kontakt mit den Dozenten führte und auch ausgiebiges Nachfragenermöglichte.

Fazit

Generell kann ich jedem Studierenden nur empfehlen mindestens ein Auslandssemester während seines Studiums zuabsolvieren. Großbritannien eignet sich dafür vor allem aufgrund des hohen Niveaus der Universitäten und um das eigene Englisch auch für das Verfassen akademischer Texte zu schulen. Etwas Flexibilität bei der Wahl von Lehrinhaltenund der Unterkunft sollte man auf jeden Fall mitbringen. Viele Probleme lassen sich vor Ort einfacher lösen, solange derformale Weg von Deutschland aus bereits begonnen wurde. Ich würde daher dazu raten, keine Angst davor zu haben, wenn vor der Abreise noch nicht alle Formalitäten geklärt sind. Insbesondere für einsemestrige Aufenthalte ist dieOrganisation einer Unterkunft sicher etwas schwieriger und auch andere Dinge, wie das Eröffnen eines eigenen Bankkontos im Ausland (das einmonatige Abheben einer größeren Summe über Kreditkarte gestaltet sich für wenige Monate unkomplizierter), lohnen sich für einen nur viermonatigen Aufenthalt nur bedingt. Für all diese Probleme lassensich aber meist unkomplizierte Lösungen finden, insbesondere, wenn man statt lange E-Mails zu schreiben, einfach malzum Telefon greift und die Dinge direkt klärt. Vor allem halte ich es für wichtig, sich während des Auslandssemesters auchvoll und ganz auf das Umfeld vor Ort einlassen zu können, dann ist St Andrews aus meiner Sicht ein Garant für einensowohl akademisch, wie auch persönlich großartigen Aufenthalt.